Nicht alles muss gemacht, geplant oder kontrolliert werden – manchmal darf das Leben einfach fließen

Wir leben in einer Welt, die viel von uns will. To-do-Listen, Termine, Erwartungen – nicht nur von außen, sondern oft auch von innen. Wir funktionieren. Wir halten durch. Wir leisten. Bis wir merken: Etwas in uns ist müde geworden. Nicht nur der Körper, auch der Geist sehnt sich nach Ruhe. Nach einem Moment des Nichtstuns, nach einem Innehalten.

Doch wie geht das – loslassen, wenn man es gewohnt ist, alles im Griff zu haben? Wie lässt man den Tag geschehen, ohne dabei das Gefühl zu haben, „nicht genug“ zu sein?

In diesem Artikel lade ich dich ein, kleine Inseln des Geschehen Lassens in deinem Alltag zu entdecken. Momente, in denen du nicht kämpfen, nicht planen, nicht kontrollieren musst. Sondern einfach nur da bist – und darauf vertraust, dass das Leben dich trägt.

Kontrolle gibt (vermeintlich) Sicherheit – aber sie macht auch müde

Viele von uns versuchen, ihren Alltag im Griff zu behalten – und das nicht ohne Grund. Kontrolle gibt uns das Gefühl von Sicherheit. Wenn alles nach Plan läuft, wenn keine Überraschungen auf uns warten, fühlen wir uns stabil. So hoffen wir, unangenehme Gefühle vermeiden zu können: Angst, Unsicherheit, Überforderung.

Aber das Leben funktioniert nicht nach Plan. Es überrascht, es verändert sich, es macht Umwege. Und je mehr wir versuchen, jeden Moment zu kontrollieren, desto anstrengender wird es.

Stell dir vor, du stehst im Meer und kämpfst gegen die Wellen an, weil du willst, dass das Wasser still ist. Jeder Muskel ist angespannt, du hältst die Luft an, versuchst, dich aufrecht zu halten. Irgendwann bist du erschöpft. Und vielleicht merkst du: Es ist nicht das Wasser, das dich müde macht – es ist der Widerstand.

Wenn du dich aber treiben lässt, beginnst du, mit den Wellen zu tanzen. Du musst nicht alles im Griff haben. Du darfst dich mitbewegen. Vertrauen.

Kleine Szenen aus dem Leben: Kontrolle oder Vertrauen?

Du willst im Gespräch unbedingt verstanden werden – und verkrampfst dich innerlich. Was passiert, wenn du erstmal nur zuhörst?

Du planst deinen Tag durch – und dann sagt jemand kurzfristig ab. Statt zu hadern: Was will der freie Raum dir vielleicht zeigen?

Du versuchst, eine Entscheidung zu erzwingen – aber sie fühlt sich nie richtig an. Vielleicht ist es noch nicht Zeit – und die Antwort kommt, wenn du still wirst.

Jemand organisiert etwas für dich mit – bucht zum Beispiel ein Hotelzimmer. Und du spürst sofort den Impuls, das Ergebnis zu kontrollieren: Nochmal selbst anrufen, nachfragen, recherchieren. Was wäre, wenn du vertraust, dass es gut wird – auch wenn du es nicht selbst gemacht hast?

Wie du erkennst, dass du dich unnötig anstrengst

Der Wunsch nach Kontrolle schleicht sich oft so subtil in unser Leben, dass wir ihn nicht sofort bemerken. Doch unser Körper und unser Geist senden uns ständig kleine Signale, wenn wir wieder anfangen zu kämpfen, statt zu vertrauen.

Typische Anzeichen, dass du wieder im „Kampfmodus“ bist:

Diese Momente sind keine Fehler. Sie sind kleine Einladungen, innezuhalten und dich bewusst wieder mit der Strömung des Lebens zu verbinden. Statt gegen die Wellen anzukämpfen, kannst du lernen, einfach mit zuschwimmen und darauf zu vertrauen, dass alles zur richtigen Zeit seinen Lauf nimmt. Vielleicht spürst Du dann wie etwas in Deinem Inneren weicher wird.

Wenn du aufhörst, gegen das Leben zu kämpfen, dann wird das Leben dir auf wunderbare Weise zur Seite stehen.
Pema Chödrön

Durch regelmäßige Meditation lernen wir, weniger reaktiv zu sein. Zwar gibt es immer noch diese spontanen Impulse – das Bedürfnis, sofort aufzustehen, etwas zu klären, zu organisieren oder zu lösen. Doch in der Stille der Meditation üben wir, diese Impulse wahrzunehmen und da sein zu lassen, ohne sofort zu handeln. Wir erkennen, dass es oft nicht die Handlung ist, die uns Frieden bringt, sondern die Fähigkeit, den Moment zu erleben und ihn mit einer Haltung des Vertrauens anzunehmen.

Kleine Rituale, um mehr geschehen zu lassen

Geschehen lassen bedeutet nicht, sich zurückzulehnen und gar nichts mehr zu tun. Es bedeutet, bewusst den Moment wahrzunehmen, loszulassen, was du nicht kontrollieren musst – und dem Leben Raum zu geben, sich zu entfalten. Vertrauen heißt nicht, dass man alles weiß. Es heißt, dass man in der Lage ist, mit dem Nichtwissen zu sein. Diese kleinen Rituale und Haltungen können dich dabei unterstützen:

🕊️ 1. Der bewusste Zwischenraum

Bevor du auf eine Nachricht antwortest, bevor du etwas zusagst, bevor du in Aktion gehst – mach eine Pause. Einen Atemzug lang. Spüre, was in dir wirklich da ist. Vielleicht entsteht daraus ein anderes Handeln. Oder gar keines.

🌿 2. Einmal am Tag „nichts optimieren“

Erlaube dir bewusst, etwas nicht effizienter, schneller oder besser zu machen. Einfach so lassen, wie es ist. Vielleicht ist es der unordentliche Schreibtisch, das einfache Mittagessen oder der Spaziergang ohne Schrittzähler.

🌀 3. Der Satz „Ich muss das jetzt nicht lösen“

Wann immer dein Kopf anfängt zu kreisen, wiederhole innerlich: „Ich muss das jetzt nicht lösen.“ Und schau, ob dein System ein wenig weicher wird. Nicht jede Frage braucht sofort eine Antwort. Vielleicht ist es gerade jetzt hilfreich weniger zu tun und ein bisschen mehr geschehen zu lassen.

🌊 4. Vertrauen üben mit einer kleinen „Abgabe“

Lass bewusst eine Sache los, die du sonst kontrollieren würdest: Jemand anders bestellt das Essen. Du fragst nicht nochmal nach dem Zeitplan. Du rufst nicht nochmal im Hotel an. Und beobachte, was passiert. Vielleicht… gar nichts, oder etwas ganz Neues. Ich nehme mir morgens gerne den Satz: “Come what may…” mit in den Tag, um mich daran zu erinnern, dass ich nicht auf alles Einfluss habe. Bei mir wirkt das innerlich immer sehr entspannend.

✍️ 5. Abends rückblicken: Wo hab ich heute geschehen lassen?

Nimm dir ein paar Minuten am Abend und frage dich: Gab es heute einen Moment, in dem ich losgelassen habe? Einen kleinen Vertrauensmoment? Diese Rückschau stärkt dein Gefühl dafür, dass es geht – Stück für Stück.

Das Geschenk des Geschehen Lassens: Warum Vertrauen es Dir leichter macht

Am Ende geht es nicht darum, alles zu wissen oder alles im Griff zu haben. Es geht darum, mit dem Fluss des Lebens zu gehen, anstatt gegen ihn anzukämpfen. Vertrauen zu entwickeln und mehr geschehen zu lassen bedeutet, dich von der Last der ständigen Kontrolle zu befreien.

Es ist die Freiheit, auch mal nichts zu tun, den Tag fließen zu lassen und zu wissen, dass du trotzdem genug tust. Wer weiß für was es gut ist, wenn etwas nicht nach deinen Vorstellungen läuft? Du musst nicht immer die Verantwortung für jedes Detail übernehmen – das Leben hat seine eigene Weisheit, und oft ist der natürliche Ablauf viel effizienter und entspannter als das, was wir uns erhoffen.

Was passiert, wenn du mehr vertraust und loslässt?

Das Vertrauen, das du aufbaust, ist wie ein sanftes Netz, das dich auffängt, wenn du fällst, und dich begleitet, während du wächst. Es ist die Erkenntnis, dass das Leben für dich arbeitet und nicht gegen dich. Du kannst immer noch handeln, Entscheidungen treffen und aktiv sein – aber mit dem Wissen, dass du nicht alles kontrollieren musst.

In Momenten der Unsicherheit, der Angst oder des Zweifels kannst du einfach innehalten, tief durchatmen und dir selbst erlauben, loszulassen. Vertrauen bedeutet, dass du dem Leben Raum gibst, dir zu zeigen, wie es sich entfalten möchte – ohne dass du es ständig in die richtige Richtung drängst.

Manchmal ist der größte Akt der Weisheit, einfach loszulassen und darauf zu vertrauen, dass das Leben seinen eigenen Weg kennt. Atemzug für Atemzug.